Stille, eine Erfahrung, die für so manchen schwer zu verstehen und zu erleben ist. Sich darauf einzulassen ist oftmals schon ein hinderndes Kriterium, da es ein Austritt aus dem herkömmlichen und gewohnten Lebensablauf ist und unbewusst sogar als Gefahr für sich selbst gedeutet werden kann. Manche Menschen haben eine so große Unruhe in sich, welche auch zeitlich schon so lange andauert, dass dieser Zustand der Unruhe als vollkommen normal angesehen wird. Dabei ist Stille nichts großes, vielmehr etwas ganz kleines, bescheidenes, unscheinbares und persönliches. Aber mit großen und mächtigen Auswirkungen auf den Menschen, wenn es darum geht ins eigene Gleichgewicht zu kommen, wenn Stille regelmäßig gepflegt wird.
Ich erfahre Stille in den Bergen, beim Wandern, Fotografieren und Meditieren. Sie befreit mich innerlich, beruhigt mein Gemüt, lässt mich unbekümmert und freudig sein und auch konzentriert und begeistert Fotografieren. Ich kann Stille schätzen, auch dann wenn ich ganz alleine bin. Sie ist einfach eine Wohltat für mein ganzes Wesen.
Der Begriff Stille wird allgemein als Geräuschlosigkeit und sogar als Bewegungslosigkeit beschrieben. Im Duden wird sie auch als “Zustand des Ruhigseins” erläutert. Diese Definitionen sind alle sicherlich richtig in der für uns offensichtlichen Welt (nach Tolle der Welt der Objekte). Aber dies ist nicht alles, was Stille umfasst! Ich möchte mit Stille nicht nur einen äußeren Zustand beschreiben, sondern vor allem einen inneren Zustand erreichen, der viel weiter führt als der Begriff des Ruhigseins es erlaubt. Hierzu möchte ich einen Text zitieren, der aus dem Buch “Jetzt! Die Kraft der Gegenwart” von Eckhart Tolle, S. 118, stammt.
Aus dem Kapitel “Schönheit erblüht in der Stille deiner Gegenwärtigkeit“
“Hast du jemals die Unendlichkeit des Weltraums in einer klaren Nacht bewundert, tief beeindruckt von der absoluten Stille und der unvorstellbaren Weite? Hast du auf das Geräusch eines Bergflusses im Wald gehorcht, wirklich gehorcht? Oder auf das Lied einer Amsel in der Dämmerung an einem ruhigen Sommerabend? Um auf solche Dinge aufmerksam zu werden, muss der Verstand still sein.”
In einem anderen Kapitel des selben Buches auf Seite 83 schreibt Eckhart Tolle folgende Wörter: “Höre die Geräusche, beurteile sie nicht. Höre die Stille, die die Geräusche umgibt”.
Dies sind sehr poetische Wörter mit einem tiefen Sinn, beschrieben von einem spirituellen Meister, der kein Fotograf ist, der aber genau darlegt, wie Fotografen die Natur wahrnehmen können. Solche Wörter sind viel mehr als nur die gestalterische Beurteilung eines Motivs. Nicht nur das Sichtbare kann Stille zeigen. Selbst natürliche Geräusche sind von einer fühlbaren Stille umgeben, die auf das menschliche Wesen einwirken. Wir alle kennen dies. Sei es das Rauschen eines Baches, der Wind in den Bäumen oder der Regen im Wald.
Es geht einfach darum, die Natur – anders ausgedrückt: das Motiv – nicht nur zu sehen sondern auch zu fühlen. Stille erzeugt in uns ein Gefühl, das klein und zart, aber kraftvoll und positiv über einen längeren Zeitraum wirkt. Es ist Energie, genau wie das Licht, das die Kamera mit dem Sensor einfängt.
Anders ausgedrückt; werde im Inneren still, dann erkennst Du es auch im Äußeren. Und das Außen unterstützt dich dabei innere Stille zu finden.
Stille ist ein natürliches Gleichgewicht, wie es bei so vielen Dingen in unserer Welt funktioniert.
Ich finde, solche für mich sehr tiefgehenden, ja fast schon poetischen Wörter, sprechen genau jenen Inhalt aus, zu welchem der Fotograf beim Fotografieren in der Natur fähig ist. Einen Zustand von Stille, innerer Stille zu erreichen um äußere Stille zu fotografieren. Eine Form von No-Mind und berührender Gegenwärtigkeit (nach E. Tolle) zu erfahren. Stille ist wie ein unsichtbares Leuchten, wie ein Licht, dass zwar nicht gesehen werden kann, dass Dich aber trotzdem anstrahlt und damit verändert, damit du es selbst ausstrahlst.
Stille ist der Ausdruck von Schönheit und Schönheit erzeugt Stille.
Fjodor M. Dostojewski
Den tieferen Sinn von Stille versuche während meiner Foto-Seminare und Foto-Retreats erfahrbar zu machen. Dies geschieht nicht durch ein “Müssen” sondern nur durch ein zwangloses “Sein”. Durch einfache Meditationen (Fotografieren, atmen), durch Bewegung (Wandern) und durch das bewusste Sehen (Fühlen) sowie deine persönlichen Emotionen (Begeisterung). So ist dieser Zustand zum Beispiel sehr gut beim Fotothema Spiegelbilder erklärbar und erfahrbar.
Stille ist universell. Sie ist ein passives Beispiel für aktive Regeneration, die überall in der Natur existiert. Farben, Tiere, Pflanzen, Jahreszeiten, klimatische Ereignisse, ja sogar Geräusche und Bewegungen der Natur besitzen eine zuweilen sehr berührende Stille in sich, die sich auf uns überträgt, wenn wir sie aufmerksam beobachten.
Wie kann Stille noch erklärt werden? Stille ist ein Ausdruck von Harmonie, von Schönheit und Leben. Stille ist dazu da, dass wir uns gut fühlen, erneuern und uns selbst erkennen. Stille ist Widerstandslosigkeit ohne persönliche Entscheidungen einzuschränken. Stille ist die aufrichtige Wertschätzung gegenüber dem Leben.
Innerer Stille lässt die Angst nicht zu, im Gegenteil, sie löst sie auf. Wer meditiert, weiß wovon ich spreche. Stille erlaubt es Gegenwärtigkeit zu erfahren, ins Jetzt zu kommen und Dich voll und ganz auf die wundervolle Natur der Berge und auf Dich selbst zu konzentrieren. Und dies ohne den Zwang unbedingt ein ganz besonderes Foto machen zu müssen. Dieses darf entstehen!
Stille ist eine unglaublich tiefgehende und gefühlsvolle Erfahrung.
Laotse
Das permanente Bewerten des Verstandes in gut und schlecht, hoch und tief, angenehm und unangenehm usw. ist es, was unsere innere Stille verhindert. Wir alle kennen diese Stimmen in unserem Kopf. Aufgrund dieses Lärms haben wir verlernt darauf zu achten, was gerade jetzt in uns und um uns herum passiert. Getrieben durch Arbeit, Sorgen und Stress, geplagt durch Krankheit und Zukunftsängsten. Ich weiß wovon ich hier spreche. Still zu werden ist bei solchen Einwirkungen, die auf einen einprallen, schwer, aber wenn man eine innere Stille erst mal erreicht hat, ist sie doch so einfach und vertraut. Und wie erreicht man innere Stille? Indem du dich hinaus in die Natur bewegst und z.B. fotografierst. Schon das Bewegen bewirkt Stille.
Nutzen wir daher die Vorteile, die uns die Bühne der Natur bietet. Lassen wir uns von dem überraschen, was in den Bergen passiert. Achten wir darauf wie sich das Licht verändert, die Temperaturen schwanken, die Wolken ziehen und welche unterschiedlichen Geräusche wir hören können.
Werde still, wie die Natur es ist. Höre auf zu bewerten, zu urteilen und zu denken. Erlebe Stille als inneren Seins-Zustand.
Komm mit zu wunderbaren Orten, beobachte die Natur. Fühle, rieche, sehe, spüre. Erreichen ein unglaublich wohltuendes und freies Gefühl, dass dich direkt mit dem Erlebnis auf dem Berg verbindet. Durch Fotografie. Du wirst sehen, es ist unbeschreiblich!!
Beispiel-Event
zum Thema STILLE:
Dr. Günter Zöhrer