Es ist wie ein Traum! Ich stehe am Gipfel, alleine, rund um mich herum ist nichts außer Natur. Es gibt kein Geräusch, keine störenden Handys, kein Gehupe oder irgendeine andere Art von urbanem Lärm. Nur die klare Luft, das Rauschen von Wasser, ein leises Krähen von Dohlen, die weit entfernt fliegen, dann ein klein wenig Wind, der die Bäume flüstern lässt. Ansonsten sind nur noch mein Herzschlag und mein Atem zu hören.
So habe ich es viele Male erlebt und wünsche es mir sehr, dass ich es auch weiterhin erleben darf. Ich fotografiere leidenschaftlich gerne, aber nicht alleine um der Fotografie wegen, sondern vor allem um jene Momente, die ich währenddessen erleben kann. Mein Weg in der Fotografie hat mir gezeigt, dass es viel mehr gibt als nur ein Foto und dass das Entstehen eines Fotos die eigentliche Fotografie ist.
Eckhart Tolle
Als Landschaftsfotograf bin ich Gott sei Dank gezwungen immer wieder in die Natur zu gehen, in meinem Fall sind es die Berge der Ostalpen, um mich zu orientieren, mich selbst darin zu finden und die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich dort draußen gemacht habe, in meinen Fotos zu konservieren. Es entwickelte sich aus dem Studium unterschiedlicher Disziplinen, wie der Architektur, der Ethnologie, den spirituellen Lehren dieser Welt sowie meinen eigenen menschlichen Erfahrungen, eine für mich authentische Fotografie, deren Wert weit über das Foto hinausgeht. Als Visual Coach leite ich ganzheitliche Fotoseminare deren Inhalte einerseits die Erfahrung des Jetzt, als meditative Gegenwärtigkeitsübung in der Fotografie, andererseits aber auch die Verbindung zu den heutigen technischen und gestalterischen Aspekten der Fotografie beinhaltet. Kurz gesagt, traditionelles Wissen und alte Weisheit trifft sich mit der modernen Welt gemeinsam in der Natur der Berge und wir ziehen daraus den größten Nutzen für uns selbst und für die Fotografie.
Mary Ward
Aus all diesen Erfahrungen entstand die Anwendung der 4 Fotozeiten (Gehzeit | Ruhezeit | Kreativzeit | Emotionszeit), einer Methode, die sich auf die Grundprinzipien des Mensch-Seins, dem Bewegen, dem Ruhen, dem Gestalten und dem Fühlen in der Natur der Berge bezieht. Und das sowohl auf der physischen als auch der geistigen Ebene des Menschen. Das Sehen ohne zu denken sowie das Fotografieren mit dem ganzen Körper sind Erfahrungen, die man nur mit sich alleine machen kann und die so wunderbar sein können, dass sich eine nachhaltige innere Wandlung (Transformation) erzeugen lässt.
Dass viele Menschen mit diversen „vergangenen und zukünftigen“ Ängsten und Sorgen leben ist allgemein bekannt. Dass die meisten Menschen diese Probleme im Verborgenen halten und zumeist sich selbst auch nicht bewusst sind, auch. Die Prinzipien von Mediation, Coaching, ganzheitlichen Naturheilmethoden bzw. der modernen Psychologie sind alle dazu da, zu helfen, damit es jenen Menschen, denen es vereinfacht gesagt, nicht gut geht, besser geht. Mediation, Bewegung, Yoga, Tai Chi und wie die verschiedensten geistigen und körperlichen Bewegungsarten heißen sind alle wunderbare Möglichkeiten etwas zu verändern. Dazu zähle ich auch – wie jeden Sport, der in gesundem Maße genossen wird – das Wandern und Bergsteigen, denn es ist nicht nur Bewegung des Körpers, es ist eine Bewegung für das gesamte menschliche Wesen.
Das Erwandern des Motives wird in der Gehzeit praktiziert. Wobei mit Erwandern auch die Vorplanung, die Vorfreude und das bewusste Vorbereiten auf die Zeit am Berg gemeint ist. Das Gehen selbst hat schon meditativen Charakter, denn währenddessen baut sich, zumeist noch unbewusst, eine beruhigende Verbindung zwischen Mensch und Natur auf. Der Mensch beginnt auf die Geräusche, das Licht, die Gerüche und die Luft zu reagieren. Er beginnt zu sehen und zu spüren. Beim Gehen werden nicht nur Kalorien sondern vor allem Gedanken verbrannt. Gedanken von denen sich der Mensch nur schwer lösen kann und die ihn im Alltag tagtäglich begleiten. Diese dürfen hier hochkommen und an die Natur, durch das Erspüren der Schönheit, die im Leben steckt, abgegeben werden. Dadurch beginnt eine innere Leichtigkeit, die vor allem im gegenwärtigen Moment gefühlt werden kann. Beim Wandern beginnt man Bewusst zu werden.
Dr. Günter Zöhrer
An der Foto-Location beziehungsweise am Gipfel angekommen, befindet man sich durch die Bewegung und trotz körperlicher Anstrengung, innerlich in einem ausgeglichenen Zustand. Der Verstand sagt „gut dass ich es geschafft habe“, das Gefühl sagt „wie schön es doch hier ist“. Nun beginnt die Ruhezeit, die Zeit der Ent-Spannung. Hier darf man sich Zeit lassen, tief durchatmen und durch meditatives Verweilen die Natur wiederum spüren. Das genaue Beobachten der Berge mit allen Sinnen und dabei die Gedanken größtmöglich abzuschalten ist das wahre Sehen ohne zu denken.
Meditation unterstützt dieses Sehen ohne zu denken wobei es ganz wichtig ist, dass man in diesem Moment nicht nur das Außen spürt, sondern vor allem auch sich selbst. Es ist die Zeit der Gewahrwerdung von allem (nach Tolle). Ein bewusstes Beobachten der Stetigkeit aber auch der Veränderung in der Natur, denn es ist nicht zu vergessen, Fotografiert werden kann nur die Gegenwart, das Jetzt. Es ist also eine Bewusstseinsschulung. Weitere mentale Übungen, die das Loslassen von Sorgen und Ängsten erleichtern, werden an diesem schönen Ort praktiziert, bis dann jeder für sich soweit ist, dass er Fotografieren möchte.
Dies geschieht in der Kreativzeit, jener Phase, in der das Jetzt bewusst wahrgenommen wird und in diesem Moment durch das Fotografieren, der umgebenden Natur und sich selbst eine tiefe Anerkennung entgegengebracht wird. Das Würdigen des So-Seins aller Dinge. Das bewahren und konservieren von Emotionen. Die Entstehung von Geschichten, die im Fotos gespeichert werden.
Es ist von unterschiedlichen Religionen und vielen spirituellen Lehren immer darauf hingewiesen worden, dass die Ursache allen Übels in der Zeit liegt. Das Denken in Vergangenheit und Zukunft. Die Beeinflussung des menschlichen Wesens durch Erlebnisse in der Vergangenheit und der Angst, die daraus entsteht, was in der Zukunft noch alles passieren könnte. Nimmt man sich selbst die Zeit weg und verweilt voll und ganz im Jetzt, haben diese negativen Energien, die Angst als Widerstand zum Leben, keine Chance mehr.
Und genau das funktioniert faszinierend einfach beim Fotografieren in der wunderschönen Natur der Berge, bei einem Sonnenuntergang, unter den Sternen, an einem Wasserfall oder einfach nur beim Betrachten der Schönheit eines Waldes. Mit betrachten meine ich aber nicht nur die visuellen Fähigkeiten des Menschen. Es ist vielmehr eine Wahrnehmung mit dem ganzen Körper, ein Fühlen, Riechen, Hören und Sehen.
Gehen wir also der Natur wegen raus um zu Fotografieren und nicht der Fotos wegen. Diese Würdigung an die Natur und an sich selbst lässt erst jene Fotos entstehen, die man selbst auch als wunderbar betrachtet.
Ovid
Nach dem Fotografieren ist der Mensch positiv aufgeladen, ja in vielen Fällen sogar sehr enthusiastisch. Das ist immer wieder sehr schön zu beobachten, was für unglaubliche Kraft in der Natur steckt und zu was sie in uns selbst fähig ist, wenn wir unsere eigene Natur entdecken. Unvergessliche Erlebnisse konserviert in unseren Fotos und bewahrt in unseren Herzen sind ein Garant dafür, dass dem menschlichen Wesen eine sehr positive Energie zugeführt wird. Diese Energie wollen wir uns in Form unserer Gefühle in der Emotionszeit bewahren, also quasi mit nach Hause nehmen.
Hier kommt hinzu, dass viele Fotografen die technischen Möglichkeiten einer Software nutzen, um die Bilder weiter zu bearbeiten. Das macht viel Spaß, ist sehr spannend und verbindet den Fotografen nochmals tiefer mit dem Erlebten und mit dem Foto. Die Energie wird dabei aufrechterhalten. Und die Emotionszeit zieht sich weiter, hinein in das Privatleben durch das Präsentieren der Fotos und der Erlebnisse bei Familie und Freunden, durch die Präsentation in Form von Prints an der Wand oder in Online-Galerien oder sogar durch die Veröffentlichung eines der eigenen Fotos in einem Magazin.
Bevor wir hier aber unsere Konzentration nur auf das Foto legen, soll uns das gesamte Post-Processing auch daran erinnern, was wir dort oben in der Natur erfahren und gelernt haben. Wenn das Gefühl langsam beginnt sich aufzulösen, weil der Alltag das so haben möchte, dann erinnern wir uns doch daran, was es bedeutet die Kraft des Sehens zu entdecken und anzuwenden und wo diese Kraft nur entstehen kann. Ja, stimmt. Im Jetzt.
Gegenwärtigkeit löst viele Probleme indem wir das Denken abstellen und ohne Kritik und Bewertung uns unseren Lebensumständen stellen. Auch im Alltag! Wir nehmen Zeiten der persönlichen Prüfungen ohne Bewertung an so wie sie sind. So können sie akzeptiert werden und dienen dazu alles zu einer guten Lösung zu bringen. Und dies durch die Anwendung einer ganzheitlichen Form der Fotografie und derer tieferen Weisheit, die sich nachhaltig positiv auf den Menschen auswirkt.
Und wer weiß, vielleicht beginnt bei dem einen oder anderen bereits schneller als erwartet die nächste Gehzeit, mal zu Hause oder mal im Büro, indem eine erste Planung einer neuen Foto-Location, eines unbekannten Gipfels oder stillen Sees, des Wetters am Wochenende oder der astronomischen Zeiten mit Kollegen und Freunden besprochen wird. Und hier kann auch schon der erste Funke Vorfreude entstehen, Freude auf das „Ich gehe raus“ und das zwanglose Erleben, Spüren und Fotografieren der Natur.