Die Faszination von Bildern, die über einen längeren Zeitraum belichtet wurden, ist visuell sichtbar. Sie sind etwas besonderes, heben sich von dem üblichen Fotomotiven ab, indem sie Bewegung einfangen und die Landschaft in ein abstraktes und weiches Licht tauchen. Schärfe und Unschärfe ist das Spiel, dass hier gezeigt wird. Die Schärfe der Objekte, die von der Unschärfe der Bewegung eingerahmt werden und so den Blick des Betrachters auf das Motiv führen.
Nicolas de Malebranche
Die Dauer einer Belichtung kann wesentlich über die Gestaltung eines Bildes bestimmen. Hier bekommt der Ausdruck „sich Zeit lassen“ eine neue Bedeutung. Es ist ein Beispiel für das Fotografieren und das bewusste Sehen, ohne dem Einfluss von Zwängen. Belichtet man mehrere Minuten lang, hat man die Möglichkeit, das, was gerade belichtet wird in sich aufzunehmen und dabei zu beobachten wie sich alles langsam verändert, obwohl das Motiv den Eindruck erweckt es stehe still.
Es ist der Versuch, den Moment bewusst zu verfolgen, jede einzelne Zeiteinheit als Jetzt zu verstehen und zu komprimieren. Langzeitbelichtungen sind in ihrer Darstellung zeitlos. Die Dauer der Aufnahme ermöglicht Geduld zu üben und so Achtsam zu werden.
Eine Langzeitbelichtung erlaubt es die besondere Schönheit und Anmut der Natur hervorzuheben, indem man Bewegung einfängt. Wasser wird weich, Wolken dynamisch und die Sternspuren in der Nacht zeigen uns, dass wir immer in Bewegung sind, auch wenn wir glauben wir stehen still. Bewegung und Stillstand sind eins und doch grenzen sie sich ab. Eine wundervolle Möglichkeit, das Sein zu erleben, wenn man gewillt ist hinzusehen und beides, Stillstand und Bewegung, in einem selbst zu spüren.
Grundsätzlich ist die Langzeitbelichtung bei jedem Thema in der Landschaftsfotografie anwendbar. Ob Aufnahmen am Tag, am Abend oder in der Nacht. Das Belichten erfolgt, bis auf die Nacht, unter dem Einsatz von Elementen, die das einfallende Licht verringern, nicht aber die Farben verändern. Graufilter (ND Filter = Neutraldichte) ermöglichen diese Art der Aufnahmen.
Hermann Hesse
Nun ja, diese Frage stellen sich wohl so einige, die in der Landschaftsfotografie unterwegs sind. Die heutigen digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten sind schier unglaublich, daher sagen sich einige Fotografen sicherlich „vieles können wir auch auf dem Computer machen“. Auch bieten heutige Kameras bereits eine interne Lanzeitbelichtungsfunktion. Stimmt, da haben sie nicht ganz unrecht. Aber … und das sollte man dabei nicht vergessen! Filter sind nicht nur Gläser, die vor die Linsen geschoben werden. Sie machen in vielen Licht-Situationen sehr viel Sinn, sowohl in gestalterischer Hinsicht als auch als Vorbereitung für die nachfolgende Bildbearbeitung. Langzeitbelichtung, genau das will ich Ihnen zeigen. Wann macht es Sinn, wann und wie setze ich Filter ein und welches Ergebnis kommt dabei raus.
Will jemand zum Beispiel weiches Wasser erzeugen oder den Zug der Wolken einfangen wird er bei der Belichtung am Tag nicht daran vorbeikommen, einen ND-Filter bzw. einen Stopper aufzusetzen. Ein Polfilter hilft Spiegelungen und Reflexe, also polarisiertes Licht, aus dem Bild zu entfernen und stellt dadurch die Farben kontrastreicher dar. Oder ist zum Beispiel der Kontrast zwischen Himmel und Land so groß, dass eine ausgewogene Belichtung kaum möglich ist, dann hilft ein ND Verlaufsfilter Soft oder Hard dem entgegen zu wirken. Filter können auch kombiniert werden, wodurch sich der Gestaltungsspielraum weiter erhöht.
Ihr müsst nicht immer Filter einsetzen, aber bei bestimmten Situationen ist es ein Vorteil in der Fotografie. Vor allem ist es dann ein Vorteil, wenn man die Filter nicht nur für die Gestaltung eines Fotos einsetzt, sondern seine Art der Anwendung, eine Form von „Langsamkeit“ in sich selbst aufnimmt. Es ist, als ob der Filter uns zwingt länger hinzusehen und genau hier steckt die wunderbare Möglichkeit sich „Zeit zu lassen“. Technisch gesehen müssen nur ein paar Dinge beachtet werden und schon zaubert ihr mystische Aufnahmen von Bergen, Gewässern oder Stadtlandschaften. Diese paar Dinge will ich euch zeigen, damit ihr euch nicht zu viel Arbeit macht, die Filter sinnvoll einsetzt, die Freude an der Natur bewusst erlebt und ihr auf eure Fotos stolz sein können. Das Gute an dieser Art der Fotografie ist, dass wir nicht darauf aus sind, viele Fotos zu machen sondern dass wir die Anzahl bewusst reduzieren. Bei Belichtungszeiten bis zu 5 Minuten ist es gar nicht nötig, hunderte Fotos zu schießen.
Thomas Merton
Hier mal auch was technisches. Die Langzeitbelichtung kann grundsätzlich mit den meisten Kameras durchgeführt werden, die es erlauben, Filter aufzusetzen sowie Blende und Zeit Manuell einzustellen. Die Zeit muss dabei bis zu bzw. sollte auch über 30 sec. einstellbar sein. Diese Funktion wird als BULB bezeichnet. Ohne Stativ sind Belichtungszeiten von mehreren Minuten nur schwer möglich. Ein Fernauslöser unterstützt sie dabei.
Langzeitbelichtungen am Tag erfordern ND Filter (Neutraldichtefilter, Graufilter) 3.0 bzw. 4,5. Diese verlängern die Belichtungszeit um bis zu 15 Blendenstufen was einem Faktor von über 10000. entspricht. So wird zum Beispiel aus 1/60 sec. Belichtungszeit ohne Filter, 8 Minuten mit einem ND Filter 4,5. Zur blauen Stunde bzw. in der Nacht werden Filter kaum mehr benötigt, da das Licht sowieso schon so schwach ist, dass, je nach Einstellung der Blendenöffnung, Belichtungszeiten von mehreren Minuten möglich sind. Wichtig bei dieser Fotografie ist, für ausreichend geladene und leistungsstarke Akkus zu sorgen.